THOMAS ANSCHÜTZ
Über Fotografie……
Fotografie ist eine Möglichkeit, dem Leben in einer beschreibenden Weise Struktur zu geben, die Rätsel zu lösen, die uns die sichtbare Welt aufgibt. Man kann mit Fotografie die Welt aufhalten, um gleichsam im Ruhezustand den Zusammenhang zwischen den beunruhigenden Erscheinungsbildern und den daraus ausgelösten Gefühlen zu erforschen. Den flüchtigen Blick festhalten mit Film und Papier, dem entschwindenden, sich entziehenden Licht für den Bruchteil einer Sekunde Gelegenheit geben, Ewigkeit zu werden, sich einzuprägen in das Bewußtsein der Zeit, um eine Konzentration auf den Moment des Zurückweichens aus dieser Welt zu erhalten.
Fotografie beschreibt und gibt Form, läßt uns die inneren Zusammenhänge der Dinge aufspüren, den Strukturen folgen.
Denn, wann immer man auf das Leben stößt, entdeckt man darin eingeschlossen eine Form des Todes. Die Welt wird erst überschaubar, indem man sie anhält, fixiert und konserviert, auf die Ewigkeit vorbereitet.
Der Moment des Fotografierens ist ein Töten des vorher noch im sucher wahrgenommenen Bildes; sobald es auf den Film gelangt, erstarrt es - augenblicklich.
Damit ist Fotografie die Negation der Zeit und ihrer Kontinuität, findet sich aber dennoch aufgehoben in der Zeit, indem sie selbst Objekt wird, Produkt aus Raum und Zeit, sprichwörtlich.
Unser sinnliches Sensorium auszubauen, erlaubt uns die Fotografie, eine zweite, eine dritte, ja beliebige Wiederholung eines verflossenen Moments zu erleben. So multipliziert und verstärkt, zeigt uns das entstandene Bild Seinszusammenhänge des Lebens, Strukturen unserer Existenz.
Aufnehmend und ordnend bildet sich eine eigene Form aus, und indem die Fotografie das Leben verläßt, wird sie zum sichtbaren Zeugnis von Vergangenheit, wird sie Geschichte.
Thomas Anschütz
1980
About photography ......
Photography is a way to structure life in a descriptive way, to solve the puzzles that the visible world gives us. You can use photography to stop the world in order to investigate, as it were, the connection between the disturbing appearances and the feelings that are triggered by them. Capturing the fleeting glimpse of film and paper, giving the dwindling dwindling light an opportunity to become eternity, memorizing itself into the consciousness of time to focus on the moment of retreat from this world.
Photography describes and gives form, lets us track down the internal connections of things that structures follow.
For whenever you come upon life, you discover a form of death in it. The world becomes manageable only by stopping, fixing and preserving it, preparing it for eternity.
The moment of photographing is a killing of the picture previously perceived in the viewer; as soon as it gets on the film, it freezes - instantly.
Thus, photography is the negation of time and its continuity, but is nevertheless suspended in time, in that it itself becomes an object, a product of space and time, proverbial.
To expand our sensory sensorium, photography allows us to experience a second, a third, even an arbitrary repetition of an elapsed moment. Thus multiplied and amplified, the resulting image shows the contexts of life, structures of our existence.
Its own form is formed and arranged, and as photography leaves life, it becomes a visible testimony of the past, it becomes history.
Thomas Anschütz
1980
text in english
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