THOMAS ANSCHÜTZ
Prof. Eberhard Fiebig
Rede von zur Eröffnung der Ausstellung von Thomas Anschütz
in der Sassen Galerie am 22. November 1991
Als erstes halte ich es für wichtig zu sagen,Thomas Anschütz und ich, wir sind Freunde und kennen uns inzwischen 17 Jahre. Wir begegneten uns zum allerersten Mal in der Universität Kassel. Das war 1974. Thomas studierte Malerei und malte, gelenkt von den in Kassel lehrenden „Maler-Professoren“, im Stil eines nicht näher definierten Realismus. Nebenbei besuchte er, wahrscheinlich in der Hoffnung, Anregung für seine Malerei gewinnen zu können, mein Seminar "Soziale Fotografie-". Er konnte nicht ahnen, daß ich diesen Titel listenreich gewählt hatte. Es gehörte damals ganz einfach zum guten Ton, jedem Seminar-Titel das Wort Sozial vorzustellen. Thomas war der einzige von über 50 Studenten, der den Trick auf Anhieb durchschaute und sehr bald unter 4 Augen zur Sprache brachte. Wir haben uns dann immer häufiger getroffen und redeten viel miteinander; über den Suff, die Malerei und die Frauen. Aus dieser Zeit besitze ich ein sehr schönes, eindruckstarkes Portrait,
das er von mir gemalt hat.
Später zog Thomas nach Hamburg. Noch später für 8 wechselvolle Jahre nach New York, um der Vergangenheit, den Gewohnheiten und dem Konformismus zu entrinnen. Der Abstieg in den 'American Way of Life', das Spektakel leerer Ereignisse, hat ihn herausgefordert und motiviert, den Realismus aus seinen Bildern Zug um Zug zu vertreiben und sich endlich der Malerei zuzuwenden, die Grundlage für die dunkle Dichte seiner Bilder zu entwickeln.
1990 kam Thomas von New York zurück, um nun in Berlin zu siedeln. Daß er mich gebeten hat, zur Eröffnung seiner ersten Ausstellung nach seinen New Yorker Jahren zu sprechen, werte Ich als Tribut an unsere langjährige Freundschaft.
Seit sich die Maler von der akademischen Tradition befreit haben und im Bestreben etwas Elementares, Reales zu schaffen, nur noch den Gesetzen der Malerei folgen, entnehmen sie die Motive ihrer Bilder allein der Bewegung und der Lebendigkeit ihrer eigenen Kunst. Der Maler unserer Epoche malt nicht mehr im Auftrag, sondern aus eigenem Antrieb und in eigener Verantwortung. Seine einzige Aufgabe und Pflicht ist es zu malen und vor uns die Schönheit der Malerei zu entfalten. Eine souveräne Malerei, in der es nicht nur um Nachahmung oder Spiegelung beliebig bekannter Dinge geht oder darum die Malerei in den Dienst einer Gesinnung zu stellen. Auch wenn wir, wie es scheint, längst gelernt und begriffen haben, daß die Malerei zu Grunde geht, daß man die Malerei verrät, wenn man sie Anderem als der Malerei dienstbar machen will, halte Ich es für wichtig, auch hier wieder an Matisse zu erinnern, der aus gutem Grund stets darauf hinwies, daß in einem Bild nichts dargestellt sein soll, was mit Worten beschrieben werden kann. Denn das Bild ist ein selbstständiger Organismus aus farbigen Strichen, Linien, Flächen und die einzige Sorge des Malers hat dieser Malerei zu gelten.
Diese Gedanken bewegten mich, als mir Thomas vor ein paar Wochen in seinem Berliner Atelier seine neuen Bilder zeigte. Ich hatte lange keine Bilder mehr von ihm gesehen, wußte aber, daß er sich in den letzten Jahren in seiner Malerei auf Schwarz als dominierende Farbe konzentriert hat. Obwohl ich also seine Liebe zum Schwarz In all seinen Erscheinungsformen kannte, wirkte die brodelnde Ballung von Schwarz, das in diesen Bildern einen so ungeheuren Schwung nimmt, auf mich wie ein Schlag. Und tatsächlich haben wir Grund, in der Wucht, mit der sich Thomas zum Ziel gesetzt hat, das Schwarz in allen seinen Nuancen und Tönungen, der ganzen Folie differenzierter Schattierungen vor unseren Augen zu entfalten, den Unterschied zu anderen zeitgenössischen Malern zu erkennen. Ich kenne keinen zeitgenössischen Maler, der das Weiß der Fläche so vehement angreift, um zu sehen, was bei der Explosion des Schwarz herauskommt, wie Thomas Anschütz. Niemand hat wie er das tiefe, solide Schwarz, von dem die hervorragendsten Maler sagen, es sei die Königin unter den Farben, so entschieden zur Universalfarbe seiner Bilder erhoben.
In dieser Malerei der Vorherrschaft des Schwarz, selten flankiert von Farbspuren anderer Tönung, in der einfachsten und zugleich gefährlichsten Form der. Malerei, in der kein figürliches Problem mehr gelöst werden muß, zeigt uns Thomas Anschütz, daß es genügt, wenn sich in seinen Bildern die gewaltige Skala des materiellen Schwarz erhebt, um uns den Reichtum der Farbe in der Malerei zu enthüllen. Es besteht für mich kein Zweifel. Die Bilder von Anschütz nehmen in der Malerei der Gegenwart eine besondere Position ein und erinnern mich mit ihrem auf- und abschwellenden Schwarz an die Bilder von Ad Reinhard und die schönsten Beispiele des Sho, jener in Deutschland leider kaum bekannten japanischen Tuschmalerei eindringlicher Schönheit. Unbeirrt von solch erkennbaren Zusammenhang sind die Bilder von Thomas Anschütz Werke origineller Form und individueller Schönheit. Geschaffen, unser Wissen und vor allem unsere Erfahrung zu vertiefen. Bei allen Bildern, die wir heute das GIück haben, sehen zu dürfen, sollten wir uns bewußt sein, daß sie alle nur dem einen Begehren entstammen. Der Liebe zur Malerei.
Vergessen Sie aber auch nicht, daß sich der Maler in seinen Bildern, die er uns zum Genuß und zur Freude anbietet, selbst ungeschützt präsentiert.
Ich wünsche Ihnen allen einen lebendigen und schönen Abend. Dem Maler,
den zu feiern wir gekommen sind und seinen Galeristen Erfolg und fette Beute.
^
TOP